Bericht von der Klausurtagung “Selbst Aktiv” am 6. September 2014 in Stendal

Eigentlich gibt es schon genügend Barrieren für behinderte Menschen, welche täglich ein selbst bestimmtes Leben inmitten unserer Gesellschaft sie häufig nicht teilhaben lässt!
So sollte ausgerechnet am Morgen des 06.09.2014 der Streik der Lokomotivführer unsere Pläne einer Klausurtagung durchkreuzen.
Die DB ist ja bekanntlich immer für eine Überraschung gut und dennoch haben unsere „Selbstaktiven“ sich dieser Herausforderung gestellt und erreichten fast alle pünktlich die Altmarkmetropole Stendal. Am Rande bemerkt, für unserer Vorstandsmitglied Andreas, welcher dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen ist, sah sich kein Taxiunternehmen in der Lage, ihn vom Bahnhof zur Tagungsstätte (3 km) zu chauffieren, so dass er tatsächlich diese Strecke allein mit seinen Kräften bewältigen musste! Leider für Ihn kein herzliches Willkommen in der Hansestadt Stendal!
Diesem Anlass geschuldet stiegen wir gleich in die Diskussion über Gleichberechtigung, Teilhabe und Selbstbestimmung ins Tagesgeschehen ein. Denn gerade an diesem Beispiel manifestiert sich, dass häufig die Begrifflichkeiten, wie Barrierefreiheit, Teilhabe, Selbstbestimmung nur als Etiketten verwendet werden und es an Inhalten und deren Umsetzung noch auf ganzer Linie fehlt.

Eröffnung der Klausurtagung 2014 in Stendal
Eröffnung der Klausurtagung 2014 in Stendal

Nachdem die Landesvorsitzende Katrin Gensecke sehr erleichtert den doch gut gefüllten Versammlungsraum sah, bedankte sie sich bei allen für das Erscheinen. Inmitten auch der stellvertretende Bundesvorsitzende Gerd Miedthank aus Berlin, Holger Hase, Landesvorsitzender aus Mecklenburg-Vorpommern und etwas später angereist, Hans-Werner-Eisfeld, stellvertretender Sprecher des Landesausschusses Niedersachsen, sowie die Mitglieder aus Sachsen-Anhalt.?

Zunächst stellten sich die Versammlungsteilnehmer vor.
Anschließend stellten wir uns die Frage, wie wir als Arbeitsgemeinschaft, mehr Aufmerksamkeit in der und außerhalb Partei erzielen können.
Hierbei kristallisierte sich heraus, dass die Akteure bisher Betroffene, Behindertenverbände und Interessenvertreter behinderter Menschen aufgeklärt haben, diese aber meist den Inklusionsgedanken bereits verinnerlicht haben.
Unserer Aufmerksamkeit muss in Zukunft mehr den „Nichtbehinderten“ gelten, wo wir gemeinsam unsere Zielsetzungen und Inhalte artikulieren können. Eine bessere Vernetzung ist hier ein wichtiger Meilenstein.
Des Weiteren erscheint es wichtig, dass Menschen mit Behinderung als Selbstvertretung in allen Gremien sein müssen, um für die Belange behinderter Menschen deren Inhalten zu besetzen.
Viel mehr noch müssen wir die Abgeordneten des Landtages, für unsere Ideen, Initiativen begeistern und sie als Unterstützer gewinnen.
Ein Anschreiben an die Ortsvereinsvorsitzenden ist bereits im Entwurf und wird in Kürze vom Landesverband weitergeleitet. In ihm starten wir einen Aufruf und wollen in den jeweiligen Regionen unsere AG vorstellen, somit auch Mitstreiter gewinnen.
Ein Positionspapier, ein Inklusionsplan von 2014 bis 2020 steht ebenfalls auf der Agenda und hat die Verantwortlich des Landesverbandes schon erreicht. Nun gilt es für diese Initiativen zu werben und deren Umsetzungen zeitnahe zu steuern.

unsere Gäste aus Berlin und Niedersachsen im Redemarathon
unsere Gäste aus Berlin und Niedersachsen im Redemarathon

Den zweiten Tagesordnungspunkt widmeten wir für Inhalte des künftigen Bundesteilhabegesetzes.
Hinsichtlich bekannt ist, dass die Bestrebungen so ausgerichtet sein müssen, dass es durch die Schaffung von bundesweit einheitlichen Kriterien zur Bedarfsfeststellung kommen muss.
Wichtig sei auch, die Partizipation aller am Prozess Beteiligten, nämlich,“WIR“, die Experten in der eigenen Sache, die sich am Reformprozess beteiligen sollen!
Beendet werden müssen die Demütigungen gegenüber Menschen mit Behinderungen von den Ämtern und die diskriminierende Anrechnung von Einkommen und Vermögen, denn Teilhabe muss künftig Vorrang vor Kostensteuerung haben. Haushaltsvorbehalte bzw. Finanzklauseln sind mit dem Prinzip der personenzentrierten Bedarfsdeckung nicht vereinbar!

Inmitten dieses Diskussionskomplexes gesellte sich am frühen Nachmittag, Marina Kermer MdB, die sich sehr erfreut zeigte, dass wir gerade Ihren Wahlkreis für unsere Klausur gewählt hatten.

Olaf Schmiedeck und Marina Kermer MdB
Olaf Schmiedeck und Marina Kermer MdB

An sie richteten wir unsere Fragestellungen unter anderem in Bezugnahme der Finanzierbarkeit des Reformprozesses. Eine massive finanzielle Belastung komme auf die Kommunen, bis 2016 circa 17,7 Milliarden Euro, zu.
Der starke Anstieg der Fallzahlen schließe sich allein schon durch den medizinischen Fortschritt heraus, sowie eine höhere Lebenserwartung bei Menschen mit Behinderungen verursachen Leistungskürzungen bei vorrangig verpflichtenden Sozialleistungsträgern.
In Sachsen-Anhalt wird es besonders spannend, wie die zusätzlichen Mittel für die Entlastung der Kommunen bei den Menschen mit Behinderungen ankommen. Die Kommunen sind außen vor und müssen keine Leistungen der Eingliederungshilfe veranlagen, das obliegt dem Land im Rahmen der Sozialagentur. Sie beantwortete auch die Frage nach dem Stand zum neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff.
Marina Kermer stellt uns Ihre Tätigkeit im Bundestag vor, berichtet von der Sommertour durch die Altmark und möchte uns weiterhin mit in Ihre Arbeit, in Form einer gemeinsamen Veranstaltung einbinden, unterstützen. Wir begrüßten dieses Angebot sehr, denn es stieß bei uns auf ein großes Interesse.
So können wir die Zusammenarbeit innerhalb der SPD verstärken, damit gegenseitig voneinander profitieren und Wählergruppen und deren Stimmenpotentiale zu Gunsten der SPD heben!
Durch die Streikaktionen des Tages konnte unser Bundesvorsitzender Karl Finke seine Teilnahme am Nachmittag verständlicherweise nicht wahrnehmen. In einer kurzen Telefonbotschaft wünschte er allen Mitstreitern eine erfolgreiche Veranstaltung, mit gutem Gelingen und äußerte seinen Dank für die Einladung. Den Abend sollten wir genießen und den Tag Revue passieren lassen, welches wir schließlich auch bei einem kleinen Sommerfest in die Tat umsetzten.

Bleibt festzustellen: Die AG Selbst Aktiv will sich am Reformprozess der Eingliederungshilfe mit einem modernen Bundesteilhabegesetz beteiligen. Menschen mit Behinderungen muss eine selbst bestimmte Lebensführung durch verbesserte gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht werden. Hierbei darf niemand mehr in der sozialen Abhängigkeit der Bedürftigkeit verbleiben, sondern zukünftig ist die soziale Teilhabe personenzentriert zu gestalten.
Wir werden die Gremien unserer Partei künftig noch intensiver aufklären und als Selbstvertreterinnen/Selbstvertreter fungieren. Die gesellschaftlichen Ebenen eines inklusiven Bildungssystemes, sowie die Verbesserung des inklusiven Arbeitsmarktes, der barrierefreie Zugang zu Angeboten des Tourismus, Barrierefreiheit im öffentlichen Nah- und Fernverkehr und Verbesserungen in der Pflege und beim Betreuungsrecht, die Stärkung der Schwerbehindertenvertretungen sind unsere wichtigen Anliegen, um eine Politik für Menschen mit Behinderungen zu gestalten.

Unsere Punkte zum Bundesteilhabegesetz:

  • Personen bezogen, Bedarfsdeckung, als Teilhabeleistung
  • unabhängig von Vermögen und Einkommen
  • anrechnungsfrei gegenüber anderen Sozialleistungen
  • zukünftig verankert im SGB IX Teil 3
  • Beratungspflicht beim Persönlichen Budget
  • Mehrkostenvorbehalt aus dem SGB XII aufheben
  • Angleichung des Behindertenbegriffs an Artikel 1, 3 UN-BRK (§ 10SGB 1, § 19 SGB III, § 2 Abs. 1 SGB IX)
  • Bundesteilhabegeld mit einer pauschalisierten Geldleistung in Form des Blinden- u. Gehörlosengeldes oder nach Anerkennung des Grades einer Behinderung mit differenzierbarer Höhe
  • Öffnung des Ersten Arbeitsmarktes für die Mitarbeiter in Werkstätten für Behinderte(WfbM), sowie deren unbürokratisches Rückkehrrecht in die WfbM ist sicher zu stellen
die Teilnehmer und Gäste der Klausurtagung der AG Selbst Aktiv in Stendal 2014
die Teilnehmer und Gäste der Klausurtagung der AG Selbst Aktiv in Stendal 2014

P.S.
Zu unserer Klausurtagung hier ein erster Pressebericht aus der Volksstimme in Stendal unter diesem Link

Text: Katrin Gensecke
Fotos: Bernd Peters

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