12.07.2016 |
Am 28. Juni 2016 hat das Bundeskabinett den Entwurf des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) verabschiedet. Das BTHG soll die Teilhabechancen von behinderten Menschen am täglichen Leben – also in Schule, Beruf, Freizeit und Pflege – umfassend verbessern und gleichzeitig die steigenden Kosten stabilisieren. Aus Sicht der Kommunen sind beide Ziele wichtig. Deutschland hat die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert, erfüllt die dort gestellten Forderungen aber längst nicht alle. Dennoch kostet die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen die Länder und Kommunen schon heute jährlich mehr als 14 Milliarden Euro; rund 900.000 Menschen beziehen Leistungen. Bis zum Jahr 2020 muss ohne gesetzliche Änderungen mit einer weiteren Steigerung um 4.3 Milliarden gerechnet werden.
Zentrale Bausteine des BTHG sind:
Künftig sollen Leistungen aus der Eingliederungshilfe getrennt von Leistungen zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung erbracht werden. Das Wunsch- und Wahlrecht hinsichtlich der Leistungserbringung wird für behinderte Menschen gestärkt. Diese erhalten so mehr Autonomie und können z.B. ihren Lebensmittelpunkt eigenständig bestimmen. Auch der Selbstbehalt bei Einkommen und Vermögen – der nicht auf die Eingliederungshilfe angerechnet wird – wird verbessert: Bereits 2017 sollen die Freibeträge für Erwerbseinkommen um bis zu 260 Euro monatlich steigen, die für Vermögen von heute 2.600 Euro auf 27.600 Euro. 2020 erfolgt eine weitere Anhebung der Vermögensfreigrenze auf dann etwa 50.000 Euro, zudem soll ab dann auch das Partnereinkommen und -vermögen nicht mehr angerechnet werden. Eingeführt wird auch ein Budget für Arbeit, das es den Menschen ermöglichen soll, auch jenseits von Behindertenwerkstätten eine Stelle zu finden, indem Arbeitgeber einen sog. „Minderleistungsausgleich“ erhalten.
Bewertung aus Sicht der Kommunen / Beschluss des Vorstandes der Bundes-SGK
Der Vorstand der Bundes-SGK hat in seiner Sitzung am 24. Juni 2016 einen Beschluss zur Reform der Eingliederungshilfe gefasst. Darin werden die Ziele der Reform und relevante Teile der konkreten Maßnahmen ausdrücklich begrüßt. Die geplanten Maßnahmen im BTHG sind grundsätzlich geeignet, die wünschenswerte Teilhabe behinderter Menschen zu verbessern. Im manchem Detail bleibt der Inklusionsgedanke aber leider auf der Strecke. Dass z.B. pflegebedürftige Behinderte in stationären Einrichtungen weiterhin keine Leistungen der Pflegeversicherung erhalten sollen, ist ein Fehler.
Ob das BTHG jedoch geeignet ist, die Kostendynamik zu bremsen, ist zweifelhaft. Zwar sollen das sog. „Pooling“ und Änderungen im Vertragsrecht zu Effizienzgewinnen und einer besseren Leistungserbringung führen. Auch durch die Trennung von Fachleistungen und Leistungen zum Lebensunterhalt können die Kommunen entlastet werden (prognostiziert sind vom BMAS für 2020 378 Millionen Euro). Der Umfang dieser Entlastungen reicht jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht aus, um die im System liegenden Steigerungen zu kompensieren. Diverse neue Leistungen sind geplant. Dass diese von mehr Menschen in Anspruch genommen werden dürften, verursacht zusätzliche Kosten. Auch die Personalkosten bei den Kommunen dürften aufgrund zusätzlicher Verwaltungs- und Kontrollaufgaben steigen. Ob diese Kosten tatsächlich nur 800 Millionen Euro jährlich betragen (wie vom BMAS geschätzt), bleibt abzuwarten.
Aus Sicht der Kommunen ist es deshalb zwingend geboten, eine Evaluations- und Revisionsklausel aufzunehmen und für eine robuste Finanzierung zu sorgen. So kann hinreichend schnell die tatsächliche Wirkung der Änderungen untersucht werden. Mehrkosten, die durch das BTHG bei den Kostenträgern der Eingliederungshilfe entstehen, müssen zwingend durch den Bund getragen werden.
( Quelle: https://www.bundes-sgk.de/artikel/bundesteilhabegesetz-kabinett-beschlossen )